Berlin - Steenwijk (NL) Teil 2

Die restlichen 400 Kilometer von Münster durch das Ruhrgebiet auf den Rhein und...

Seit dem 20.09.2022 läuft die Heizung wieder. Zwischendurch gab es ein paar Mal "Heimaturlaub", damit die häuslichen Aufgaben nicht ganz vernachlässigt werden und die Post gesichtet wird. Diesen Abschnitt von Münster nach Steenwijk/Niederlande könnte man theoretisch in zwei bis drei Tagen fahren. Dann würde man die Strecke über den Wesel Datteln Kanal mit seinen sechs Schleusen wählen und "durchbrettern". Da ja der Weg bekanntlich das Ziel ist, wird eine etwas längere Strecke durch das Ruhrgebiet gewählt. Diese verläuft über den Rhein Herne Kanal, mit seinen 45 Kilometern und fünf Schleusen. Weiter geht es dann in Duisburg endlich auf den Rhein, der mittlerweile wieder ausreichen Wasser führt, in die Niederlande. An Ijssel Kilometer 931 hinter Zutphen geht es an Steuerbord in den Zutphen Enschede Kanaal. Wenn Umweg, dann richtig! Almelo, Coevorden, New Amsterdam, Hoogeveen und Meppel sind dann die letzten Stationen vor Steenwijk, dem Ziel der Reise! Am Ende sind es dann 907 Kilometer anstatt 780 Kilometer geworden.

VON MÜNSTER ÜBER HENRICHENBURG ZUM RHEIN

102 Kilometer, 5 Schleusen, 2 - 3 Tage

Während Professor Boerne, Hauptkommissar Thiel und die Herren der Wasserschutzpolizei wieder ihrer Arbeit nachgehen, zieht es uns weiter in den Süden. Es geht zu Bernd und Ingrid Becker vom Yachtclub in Henrichenburg am alten Schiffshebewerk. Wir halten unser Schneckentempo und kommen sechs Stunden und 58 Kilometer später dort an. Unglaublich freundlich und warmherzig wird man hier aufgenommen! Die letzten Sonnenstrahlen werden für einen mehrstündigen "Klönschnak" bei einem Glas Sekt genossen. Neben dem "Westlichsten Leuchtturm" am Dortmund Ems Kanal kann man fußläufig die Liebeskind Villa erreichen. Die Besonderheiten dieses extravaganten Gebäudes der Rheinzink AG sind eine Erkundung wert! Weiter geht es dann im Rhein Herne Kanal nach Oberhausen.

Von Henrichenburg nach Oberhausen

Ein grauer und regnerischer Tag begrüßt uns beim Ablegen in Henrichenburg. Drei Schleusen und 35 Kilometer Strecke liegen vor uns. Ohne Wartezeiten kommen wir mit einem Niederländischen Gütermotorschiff in die Schleuse Herne Ost, mit fast 13 Meter Fallhöhe! Dank der Schwimmpoller an Steuerbordseite kein Problem. Ähnlich läuft es dann auch in Wanne Eickel und Gelsenkirchen. Nach fünf Stunden Fahrzeit wird in der Marina Oberhausen festgemacht. Feierabend für heute! In nächster Umgebung befindet sich eines der größten Einkaufscenter hier im Ruhrgebiet, das Centro. Direkt an der Marina ist das Sealife Oberhausen und ein Freizeitbad. Der naheliegende Gasometer beherbergt Kunstausstellungen und zum kleinen Schloss Oberhausen ist es auch nicht weit. Die Liegegebühr für die Nacht beträgt 22,50€. 

Ok, das Ruhrgebiet kann auch Farbe! Am nächsten Tag geht es zur Burg Vondern und zum großen Rangierbahnhof in Oberhausen Osterfeld. Da wartet schon meine "Lieblingsbaureihe" in alten DB Farben! Und dann ist da noch die Verkaufsanstalt IV der Gutehoffnungshütte! Gegen 10:30 Uhr werden dann die Leinen losgemacht und es geht weiter in Richtung Rhein. Wieder ohne Wartezeiten durch die letzten beiden Schleusen Oberhausen und Duisburg Meidernich. Endlich kann der Geräteträger wieder nach oben, ab jetzt wird nicht mehr über Durchfahrtshöhen nachgedacht. Mit 1100 U/min und 11 Km/h im Kanal und später mit gleicher Drehzahl jedoch 16 Km/h auf dem Strom. Der Verbrauch liegt bei etwa 9,5 Liter Diesel in der Stunde. Unterwegs sind hunderte Gütermotorschiffe zu Berg, zwei Fahrgastschiffe und kein weiteres Sportboot! Scheinbar haben viele Freizeitkapitäne die Saison 2022 bereits beendet. Markant ist die "Blue Rhapsodie", ein futuristischer und sehr hübscher Flusskreuzer. In Rees wird am späten Nachmittag beim Yachtclub Rheinberg festgemacht und der Ort mit dem Fahrrad erkundet. 

66 Kilometer Fahrt inklusive Abstecher und Rundkurs im Erholungsgebiet Rhederlaag, sowie eine teuere Tankpause (GTL 2,25 €/L), waren das nächste Etappenziel von Rees nach Doesburg in den Niederlanden. Recht ruhig liegt man im Passantenhaven unweit des Zentrums der hübschen kleinen Stadt an der Ijssel. Auf dem Rhein waren wieder sehr viele Schiffe unterwegs. Ohne Tankstop und Rundkurs auf dem See ist diese Strecke in gut vier Stunden leicht zu fahren. Für die Freunde der Zahlen hier ein paar Daten zum Verbrauch auf dem Rhein zu Berg und zu Tal, bei unterschiedlichen Drehzahlen:

Talfahrt     1170 U/min, 16 Km/h, 9,5 L/h

Talfahrt     1900 U/min, 21 Km/h, 36 L/h

Bergfahrt  1170 U/min, 6,5 Km/h, 9,5 L/h

Bergfahrt  1900 U/min, 12 Km/h, 36 L/h

 

Zurück auf der IJssel geht es weiter zu Tal bis nach Zutphen, rechts ab nach Lochem und Almelo. In Lochem begegneten wir der 100 Jahre alten "Siegfried", dem Kutter von Lorenz, einem ehemaligen Rheinskipper. Er genießt seinen Ruhestand auf dem Wasser. Heimelig hat er es in seinem Salon mit Ohrensesseln und Kaminofen! Wir bekommen wertvolle Tipps für die Weiterfahrt!

Die Schleuse Aadorp soll noch erreicht werden, um am nächsten Morgen durch den Kanaal Almelo - De Haandrik nach Coevorden zu kommen. Per Funk dann die schlechte Nachricht von der Schleuse, dass heute nichts mehr geht! Zuviel Treibgut vor den Schleusentoren verhindert das sichere Öffnen. Erst am Samstagvormittag wird das beseitigt. Das wirft den Zeitplan komplett durcheinander, den am Sonntag ruhen ohnehin alle Schleusen und beweglichen Brücken und es sollte vorher das Etappenziel Hoogeveen erreicht werden! Nach meinem Angebot mit dem Heck der "No Worries" ans Tor zu fahren und das Treibgut aufzunehmen, kam die Rückmeldung, man könne es ja versuchen. Und tatsächlich bekamen wir unsere Schleusen dann doch noch kurz vor Feierabend! Dafür liebe ich die Holländer! Auch für den fantastischen Brückenservice, der mich immer wieder begeistert! Keine Wartezeiten trotz der 37 beweglichen Brücken von Almelo bis Steenwijk! 

Am anderen Morgen ging es dann im Dunklen wieder los! Zwei Stunden "Radarfahrt" auf dem Kanaal! 

Auffällig viele Flaggen waren unterwegs an Bauernhöfen und Wohnhäusern gehisst. Das kannte ich bisher nur aus den U.S.A.! Und merkwürdig war, dass fast alle Flaggen anders aussahen, wie die Gastflagge an unserer Gösch! Also nicht rot weiß blau sondern blau weiß rot. Es stellte sich heraus, dass die Niederländer sauer auf Entscheidungen ihrer Regierung sind und mit dieser Beflaggung ihren Protest bekunden. Man könnte sagen, Holland steht Kopf!

In New Amsterdam vor der Eisenbahnbrücke begegneten wir der "VreMa", einer Linssen 47 mit Schweizer Besatzung. Vreni & Markus hatten die gleiche Route bis Meppel und so tuckerten wir gemeinsam bis Hoogeveen. Und da war dann zunächst die Zwangspause bis Montag um 09:00 Uhr angesagt. Zeit für gutes Essen und lange Gespräche!

Und wieder war Verlass auf das Niederländische Brücken- und Schleusenpersonal! Am letzten Reisetag ging es dann endlich nach Steenwijk zu Steeler Yachts ins Winterlager. Nur noch vier Schleusen und 44 Kilometer Strecke. Der Sommer hat sich nun auch gänzlich verabschiedet, es regnet in Strömen! Mit über 3000 Kilometern in etwa 300 Betriebsstunden und 144 Schleusen im Jahr 2022 wird es Zeit für die Winterpause!